Störungen im Workflow, Folgen und Lösungen

Zuerst einmal: lieben Dank für die vielen Zuschriften und das Feedback meines letzten Blogartikels. Unter anderem kam auch die berechtigte Kritik, dass der letzte Artikel zwar gut geschrieben war, jedoch etwas von dem Thema abgewichen ist. Daher versuche ich das hier gleich Mal besser zu machen und hoffe das mir das gelingt.

Wie es zu Störungen kommt und was die Folgen sind:

Jeder kennt solche Tage, unabhängig von dem Umfeld. Du kommst guter Dinge in die Agentur und hast bereits einen Plan im Kopf, was heute ansteht. Prioritäten sind so oder so seit Wochen bekannt und selbst kleinere Unwägbarkeiten sind unlängst eingeplant. Immerhin verfügst Du ja über Erfahrung. Dann folgt der obligatorische Blick auf den Tacho, der schon wieder anzeigt, dass Du nur einen Bruchteil geschafft hast, obwohl es doch schon weit Nachmittag ist und die ganze morgendliche Euphorie ist dahin. Du gehst schließlich frustriert nach Hause, hast kaum mehr geschafft, als Du dir ursprünglich vorgenommen hast und sagst Dir auf dem Heimweg noch mehrere Male das ja morgen alles besser werden wird. Schließlich hat ja jeder mal einen schlechten Tag. Und trotz der Versuche Dich selbst zu motivieren, bleibt das ungute Gefühl, das ein wichtiges Projekt auch heute wieder auf der Strecke geblieben ist.

Während unserer wohlbekannter Protagonist unruhig einschläft, schauen wir doch mal genauer hin. Was ist eigentlich den ganzen Tag passiert und was hatte das für unmittelbare Folgen?

Es fängt häufig schon an, wenn Du ins Büro kommst: Die Kollegen sind der Meinung Du bist sofort greifbar und mit betreten der Türschwelle synchronisiert sich das Gehirn, mit allen anstehenden Projekten, Unwägbarkeiten, E-Mails, Mitarbeiterproblemchen, potenziellen Krankschreibungen, Kalendern, Urlauben, Kundenanfragen, Flurfunk etc. Das ist natürlich Blödsinn. Jeder Mensch hat von der Natur ein Kurzzeitgedächtnis und ein Langzeitgedächtnis spendiert bekommen. Nicht um uns zu ärgern, sondern uns zu schützen. Die Folgen solcher mordendlichen Informationsoverloads sind daher vorprogrammiert und ehe die ersten Koffeeinmoleküle die Nervenzentrale auf Schwung bringen können, ist die Hälfte schon wieder vergessen. Blöd nur das unser Gehirn nur bedingt zwischen wichtiger Information und unwichtiger Information unterscheiden kann. Folgendes Video verdeutlicht das etwas besser:

Vergesslichkeit hat also weder etwas mit dem Alter zu tun, noch mit Dummheit – selbst dann, wenn man es trainieren kann. Es geht jedem so, daher will auch jeder schnellstmöglich seinen „Kram“ loswerden. Und das ist gefährlich, da diese Aufgaben doppelt und dreifach wieder aufschlagen. Das kostet dann richtig Zeit.

„Warum hast Du denn noch nicht den Kunden zurückgerufen? Ich hatte Dir ja heute Morgen gesagt, wie wichtig das ist.“

Und exakt mit dieser letzten Aussage sind wir dann im Kreislauf der Störungen angekommen. Denn was morgens, nicht digital und dazu noch durch bloßes Hörensagen weitervermittelt wurde, wird anschließend erneut an die Tür klopfen. Niemand kann sich zerreißen, und wenn die Aufgabenbereiche nicht 100%ig klar verteilt sind, sodass jeder mit einem sattelfesten Gefühl aus einem Jour fixe geht, sind Störungen vorprogrammiert.

Jede Störung = -15 Minuten pro Mitarbeiter am Tag an effizientem Workflow

Stell Dir vor, du sitzt in einem schönen Audi R8 und brettert eine leere Autobahn entlang. Kilometerweit kein Verkehr auf der linken Spur. Mit jedem Stundenkilometer fühlst Du dich mehr und mehr mit dem Auto wie eine zusammengewachsene Einheit. Du spürst jede Unebenheit und jede Möglichkeit noch etwas mehr Geschwindigkeit aufzubauen. Es fühlt sich absolut sicher an. Ganz so als wärst Du selbst das Auto. Die Musik in Deinen Ohren ist eine Mischung aus Motorengeräusch und dem lebendigen Sound Deines adrenalingeschwängerten Pulses.

Und dann wirst Du abrupt aus Deinem Highspeedrausch rausgerissen, weil irgend so ein Trottel mit einem Wohnwagen der Meinung ist, er müsse ausgerechnet an einer freigegebenen Stelle mit 80 Sachen einen kleinen Transporter überholen. Also: Abbremsen, den Impuls in das Lenkrad zu beißen unterdrücken und eine gefühlte Stunde abwarten, bis sich der Stau aufgelöst hat und Du endlich wieder beschleunigen kannst. Doch ehe Du erneut an angenehme Freifallgeschwindigkeiten anknüpfen kannst, ist dann auch schon der ganze Spaß vorbei: 100er Begrenzung. Schluss, aus, Feierabend.

Ein vergleichbares Szenario tritt bei einer Störung im Arbeitsfluss, neudeutsch Workflow auf. Wenn Du dich mal selbst beobachtet hast, kennst Du dieses Gefühl: Headset auf, Lieblingsmusik rein und binnen kürzester Zeit fliegen Dir Ideen, Möglichkeiten, Energie und Spaß nur so zu. Ein Wahnsinnsgefühl, welches man am liebsten jeden Tag mit nach Hause nehmen möchte. Denn dann macht Arbeit regelrecht spaß und ist defacto keine mehr.

Nicht jedoch, wenn man unterbrochen wird, während man sich mit 280 Sachen auf der digitalen Autobahn regelrecht unsterblich fühlt. Dann heißt es: Vollbremsung.

Und genau an dieser Stelle passiert es leider das durch eine Störung – egal wie klein sie sein mag – DANACH noch sage und schreibe 15 Minuten innere Verwirrung herrscht, ehe man wieder auf Vollgasmodus ist. Es gibt hierzu wissenschaftliche Untersuchungen, die das bestätigen. Im schlimmsten Fall ist das schlichtweg tödlich, wie eine Studie des KFV zeigt. So ist beispielsweise bis zu 15 Minuten nach Beendigung eines Telefongesprächs das Unfallrisiko bis zu 4x höher. Egal ob dieses via Freisprecheinrichtung, oder verbotenerweise mit dem Handy am Ohr stattgefunden hat.

Das Üble daran ist das mit einer Störung häufig andere Aufgaben einhergehen, um die man sich dann sofort kümmern muss. Oft werden dadurch noch weitere Mitarbeiter in Mitleidenschaft gezogen und so summieren sich diese „Distractions“ auf ein teures Level. Eine Art Dominoeffekt tritt ein und ist kaum mehr aufzuhalten.

Auch wenn es eine vermeintliche Milchmädchenrechnung ist: Wenn am Tag 1 Mitarbeiter 5x gestört wird und dieser wiederum 5x andere Mitarbeiter stören muss, hat die Firma entsprechend 2,5 Arbeitsstunden vergeudet. Tendenziell mehr, da hier noch die Gespräche der jeweiligen Themengebiete und das obligatorische „gleich mal die Gelegenheit nutzen und einen neuen Kaffee holen“, oder „Lass uns eine rauchen gehen“ obendrauf kommen. Wenn ich es jetzt noch etwas mehr auf die Spitze treiben möchte, stelle ich die Frage in den Raum, wie viel Zeit wohl zusätzlich verloren geht, wo der Mitarbeiter nicht mit konzentrierten 280km/h durch das Projekt performt, da er in dem Augenblick ja mit 20 km/h durch die Landschaft gurkt? Rechnet man sich dies auf die Woche, den Monat und das Jahr hoch, kommen schnell schwindelerregende Zahlen zustande. Diese Stunden fehlen dann häufig an neuralgischen Punkten, wie den so oft zitierten Deadlines.

Natürlich lässt sich nicht jede Störung immer vermeiden, dennoch ist es wichtig, diese so gering wie irgend möglich zu halten. Allein schon aus wirtschaftlichen Aspekten. Allgemein lässt sich sagen:

Je strukturierter und ordentlicher ein Betrieb ist, desto eher lassen sich solche Störungen komplett vermeiden.

Das Märchen von dem kreativen Chaos, das angeblich jeder Designer braucht, ist damit auch schnell ad absurdum geführt. Ebenso der Mythos vom alles könnendem Multitasking Genie. Oder um im Autoslang zu bleiben: Was glaubt ihr wie gut, und wie teuer eine Reparatur an Eurem Auto wird, wenn die Werkstatt mehr einem verlassenen schmierigen Schrottplatz gleicht, als einem gut sortierten Arbeitsplatz wo ein Griff genügt und der Profi hat das richtige Werkzeug in der Hand?

Auch wenn es schon fast langweilig ist, das zu sagen, aber eine nachhaltige und realistische Planung von Projekten und daran gekoppelter Ressourcen, ist hier nicht nur der Schlüssel zum Erfolg, sondern auch maximal motivierend für die Mitarbeiter. Das bringt mehr Output, zufriedenere Kunden, zufriedenere Chefs, weniger Überstunden, etc. pp.

Was ist nun mit den versprochenen Lösungen?

Ganz ruhig, keine Panik. Hier sind sie schon:

  • Ankommen
    Schaffe durch klare Ansagen eine Zeit des Ankommens. Das hat nichts mit Pausen zu tun, sondern jeder muss sich morgens einen Überblick verschaffen, um seinen inneren Motor über den Tag hinweg auf Höchstleistung zu trimmen. Je mehr Mitarbeiter hier „mitziehen“ und Verständnis entwickeln, desto eher bekommen sie eine nachhaltige, korrekte und für sie zufriedenstellende Lösung. Oft geht es nur um 10 – 20 Minuten. Ein gutes Beispiel ist hier der Start einer Rakete mit sündhaftteurem Equipment an Bord. Wenn hier die Startvorbereitungen nicht 100% passen, explodiert das Ding, oder wird schlicht im Ozean versenkt.
  • Koordiniere Termine
    Lasse konsequent via E-Mail anfragen, wann Du Zeit hast, besser noch gleich mit Terminvorschlag, sowie Grund und ersten Lösungsideen. Das klingt vielleicht in der ersten Sekunde sehr nach Mikromanagement und etwas pedantisch, oder gar nach einem potenziellen weiteren Störer. Untersuchungen und auch die eigene tägliche Erfahrung zeigen jedoch, das es sich häufig nicht um „Mal eben“, oder „Dauert ja nur 5min“ handelt. Die meisten Anfragen, die so klingen, sind prädestiniert dafür das Sie mindestens 30 Minuten und mehr Deiner Zeit benötigen! Und das Tolle an E-Mails ist: Es liegt in Deiner Entscheidungsfreiheit, wann Du diese liest! Doch zum Umgang mit E-Mails später mehr.
  • Nutze Taskmanagementtools
    Nutze Taskmanagementtools, die sich synchronisieren, und lasse dort für Dich Tasks hinterlegen. Du kannst dadurch gleich Entscheiden ob der Task weiterdelegiert werden muss, ob Du ihn eben selbst erledigen kannst und vor allem wie wichtig er im Hinblick auf Deine anderen Tasks ist. Wunderlist wäre nur eines der vielen empfohlenen Möglichkeiten. Wichtig ist auch das solche Tools nicht überhandnehmen, da es für den Informationsworkflow entscheidend wichtig ist das alle Beteiligten zu jederzeit wissen wer, woran und mit welcher voraussichtlichen Dauer arbeitet. Idealerweise deckt dies alles ein einziges Tool ab. Auch zum Thema Taskmanagement und Tools folgen weitere Beiträge.
  • Schaffe Ordnung
    Schaffe Ordnung, wo Du gehst und stehst. Das ist wichtig, da jede Datei, jede E-Mail, jedes Stück Wissen und so vieles mehr von Anderen oder Dir selbst garantiert dann nicht gefunden wird, wenn am wenigsten Zeit für langwieriges Suchen ist. Wichtig ist auch hier: Es müssen alle an einem Strang ziehen. Vor allem bei neuen Mitarbeitern wird hier häufig nicht genau geschaut und vieles vernachlässigt, was später schwer wieder auszubügeln ist.
  • Informationen an einer Stelle
    Nutze anstelle von E-Mail-Kommunikation bzgl. Projekten interne Microblogging Tools. Was bringt einem eine E-Mail mit einer wichtigen Information, die man vielleicht erst Wochen später braucht? Oder genau zu diesem Zeitraum benötigt jemand Anderes diese wichtige Info? Entweder ist in solchen Situationen dann wieder mal nicht CC gesetzt worden, oder man sucht sich durch seine (oder Fremde) E-Mails stundenlang und vielleicht ohne großen Erfolg. Einen tollen Blogbeitrag dazu findest Du bei das-auge-denkt-mit.
  • Wiederholung macht den Meister
    Mache in immer wiederkehrenden Meetings darauf aufmerksam was schon gut funktioniert und wo noch nachgebessert werden muss. Alle Lösungen sind der Rede nicht wert, wenn sie nicht immer wieder kommuniziert werden, weiterentwickelt und rückblickend positiv betrachtet werden. Gerade das intervallartige Erinnern an die vereinbarten Lösungen wird oft sehr stiefmütterlich behandelt. Denke daran: Menschen sind keine Maschinen. Sie sind mit einem Kurzzeitgedächtnis gesegnet. Wenn Du möchtest, dass etwas langfristig und reibungslos funktioniert, wenn Du willst, dass eine Botschaft ins Langzeitgedächtnis wandern soll, kommst Du um Wiederholungen nicht herum.

Diese 6 einfachen Lösungen sind natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss, oder gar alles. Es gibt noch viel mehr. In kommenden Beiträgen werde ich diese und weitere Lösungsansätze ausbauen. Doch mindestens genauso gespannt bin ich auf Deine Gedanken und Erfahrungen zu diesem Thema. Was hat sich bei Dir bewährt? Was nicht? Was siehst Du ganz anders?